Maluma 13
Kapitel XIII
Aus der Sicht von Luca:
»Willkommen in Atlantas. Das war das erste, was Amphitrite ihnen gesagt hatte. Er wusste noch, dass er sehr erstaunt war, da er dachte, er wäre in der legendären Stadt Atlantis. Es stellte sich aber heraus, dass das nicht so war. In Wahrheit befand er sich nur 10 Meilen entfernt von der Stadt, in einem für Meeresverhältnisse kleinem Dörfchen. Das stimmte natürlich nicht ganz, alle Städte im Meer waren zwar deutlich größer, aber es gab auch kaum andere. Amphitrite war danach direkt zum Punkt gekommen – wo die Schlange war, die das Königreich angriff. Besagte Schlange ragte in diesem Augenblick vor ihm auf, das Maul weit aufgerissen, um ihn zu verschlingen. Luca hatte schon alle seine Wasserpfeile genutzt, aber sie alle waren abgeprallt. Nun stand er hier: Ohne Pfeile, völlig wehrlos und vom Schock wie gelähmt. Er malte sich schon sein Ende aus, als er eine Idee bekam. Gerade als die Schlange den Kopf senkte, sprang er zurück. Er konzentrierte sich auf das Seil, das an ihrem langen Fangzahn hing. Kurz bevor die Schlange erneut angriff, sprang er an das vor ihm baumelnde Seil und packte zu. Er schwang sich hin und her, bis er den Speer erreichen konnte, der in der Haut der Schlange steckte. Voll unfair, dass die getroffen hatten und er nicht! Er packte den Speer, der schon drohte abzubrechen. Er drehte sich zu der Schlange um und konzentrierte sich auf ihren Kopf, der sich suchend nach links und rechts bewegte. Mit dem Blick auf dem Kopf des Ungeheuers, tastete er sich langsam am Speer entlang. Sobald er die Haut der Schlange berührte, durchzuckte ihn ein kleiner Schmerz und seine Sicht veränderte sich.
Er befand sich in einem engen Raum, während er versuchte sich zu befreien. Die Szene wechselte. Zusammen mit seinen Geschwistern wartete er, bis ihre Mutter mit dem Essen kam, um zu erfahren, dass ihr Bruder von einem Heros ermordet worden war. Wieder wechselte die Szene. Er war mitten in einer Schlacht und verschlang hunderte Heroen, während ihn immer wieder ein Schmerz durchzuckte, von auf ihn geworfenen Speeren. Plötzlich befand er sich wieder in der Wirklichkeit…
Luca befand sich im freien Fall. Anscheinend war er während seinem kurzen Knockout vom Seil geschüttelt worden. Als er mit 50 km/h an dem Schlangenleib herab fiel, das Wasser machte ihn langsamer, aber stoppte seinen Fall nicht – entdeckte er einen Pfeil. Er ragte zur Hälfte aus der Schlange heraus und hatte eine rote Befiederung. Moment mal – war das einer von seinen? Hatte er doch getroffen? Plötzlich fiel ihm wieder ein, was er eigentlich machen wollte. In letzter Sekunde packte er den Pfeil und dachte für einen kurzen Moment, er wäre in Sicherheit. Dann hörte er ein knacken… Er fasste einen Entschluss: Bevor der Pfeil abbrechen konnte, zog er den Schaft aus der Karthagischen Schlange und befand sich wieder (fast) im freien Fall. Während er noch fiel, zog er seinen Bogen von seiner Schulter, legte seinen eben erworbenen Pfeil an und zielte auf die einzige Schwachstelle der Schlange: Ihr rechtes Auge. Er schoss: Und rutschte aus. Der Pfeil würde sein Ziel nicht treffen. Mit einem dumpfen Geräusch schlug er auf dem Boden auf und fiel ins Koma.
Seine Mutter stand vor ihm. Sie hatte Tränen in den Augen und umarmte ihn. Sie hatte ihm gerade von der Weissagung erzählt, die er als kleines Kind bekommen hatte. Von seiner Weissagung. Er hatte es nicht verstanden. Was für eine Göttin? Als achtjähriger hatte er damals gedacht, dass vielleicht seine Mutter damit gemeint war. Mittlerweile wusste er es besser. Aber immer noch nicht genau… Die Szene ging weiter. Seine Mutter löste sich von ihm. »Es tut mir so leid Mijo. Ich – ich hätte es dir früher sagen sollen. Verzeih mir.« Wortlos vor Erschütterung stand der kleine Luca auf und ging in sein Zimmer. Es war spärlich eingerichtet. Fast schon spartanisch. Die Wände waren leer, abgesehen von ein paar Fotos mit ihm und seiner Mutter und seinem Bogen mitsamt Pfeilen. Schon damals war er gut gewesen. Zumindest für einen achtjährigen, der sich das Schießen selbst beibringen musste. Auf seinem Schreibtisch lagen überall verteilt Schulsachen und Zeichnungen, die er irgendwann mal angefangen hatte, aber nie zu Ende geführt hatte. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und machte sich etwas Platz. Dann holte er seinen Skizzenblock heraus und fing an zu zeichnen. Erst ein paar Striche, dann ein paar Rundungen und Kreise. Es dauerte zwei Stunden, bis sein Bild endlich fertig war: Eine antike Wand, auf dem die eben gehörte Weissagung bildlich dargestellt war. Unten in der rechten Ecke hatte er sie noch mal aufgeschrieben. Er betrachtete das Bild noch einmal. Es sah anders aus. Wirklicher. Nicht wie das Bild, das er vor fünf Jahren gezeichnet hatte. Seine Mutter kam herein. »Mijo, alles gut? Wach endlich auf!« Das tat er dann auch.
Er befand sich wieder auf dem Meeresboden. Luca rieb sich den schmerzenden Kopf. Über ihm erschienen Maluma und Ava, Lena und Triton, Amphitrites Sohn. »Du bist wach!« Maluma sah ihn erleichtert an. »Los, geht – zurück. Die… Schlange. Ich – komm schon… zu-recht,« sagte er mit schwacher Stimme. »Die Schlange ist tot, du Dummkopf. Und wir werden dich ganz sicher nicht allein lassen.« Ava sah ihn entnervt an. »Die – die Schlange ist tot?« Sie rollte mit den Augen. »Ja, die Schlange ist tot. Du hast sie erlegt.« »Ich? Wie denn bitte schön?!« Er wurde wütend. Musste sie ihm unter die Nase binden, dass er den Schuss versaut hatte? »Ja du, Luca Alberto. Mit deinem Pfeil und deinem Bogen. Mitten ins rechte Auge.« »Habe ich nicht! Ich habe verfehlt, okay? Du musst mich nicht die ganze Zeit daran erinnern!« Damit stand er auf und humpelte in Richtung Stadt.
Die Buchreihe ist eine Weiterführung der Buchreihen „Percy Jackson“, „Helden des Olymp“ und „Die Abenteuer des Apollo“ von Rick Riordan.