Maluma 12

Kapitel XII

Aus der Sicht von Maluma:

Unter ihnen erstreckte sich ein wunderschönes Riff. Korallen glitzerten in allen Regenbogenfarben und das Wasser ließ alle möglichen Formen auf dem Boden tanzen. Ungefähr 20 Meter unter sich sah Maluma Fische. Sie schaute zu Ava herüber. Sie schien es sichtlich zu genießen, wieder hier zu sein. Zu Malumas Überraschung kam ein Wasserwirbel auf sie zu geschwommen. Je näher er kam, desto weniger sah er wie ein Wirbel aus. Als er durch die Wasseroberfläche brach, erkannte sie den wunderschönen Körper eines leicht durchscheinenden Mädchens. Ava runzelte die Stirn. »Lena?«, fragte sie halb verwirrt, halb erfreut. »Ava!« Ava – die jetzt ihre Rüstung vollständig abgelegt hatte – sprang ins Wasser. Lachend und wasserstrampelnd, umarmten sich die beiden Mädchen. »Leute, das ist Lena! Sie war meine beste Freundin, als ich noch bei Amphitrite gewohnt habe!«, verkündete sie stolz. Maluma fühlte einen kleinen Stich in ihrem Herzen, der aber kaum länger als eine Sekunde dauerte. Ihr Herz füllte sich mit Freude, als sie ihre Freundin so fröhlich sah. Lena flüsterte Ava etwas ins Ohr, woraufhin Ava den beiden zurief: »Kommt nun endlich auch rein, Mutter erwartet euch.“ Widerwillig sprang Maluma ins kalte Wasser. Die Kälte war ein Schock. Sobald sie das Wasser berührte, wollte sie nur noch raus. Sie strampelte wild, bis Ava sie zur Ruhe brachte. Kurz nach ihr sprang auch Luca ins Wasser. Auch er war geschockt vom eiskalten Wasser. Lena reichte ihnen allen ein Stück einer Alge. »Danke, Lena«, erwiderte Ava freundlich. Schweigend fing sie an auf der Alge herumzukauen. Verwirrt tat Maluma es ihr nach. Es schmeckte widerlich, einfach nur ekelhaft. Genau wie Ava schluckte Maluma den Algenbrei. Mit einem Mal war das Wasser nicht mehr kalt, sondern angenehm warm. Unter sich erkannte Maluma jetzt auch den Boden. Auf dem Meeresgrund funkelte die wunderschöne Stadt, die Ava beschrieben hatte. Nur schien sie düsterer zu sein, als ob auf der Stadt ein Schleier des Todes liegen würde. Lena tauchte unter und Ava folgte. Schweigend tauchte auch Maluma hinterher, dicht gefolgt von Luca, der vorher Luft holte. Wie unnötig! Er tippte Ava an, woraufhin diese sich umdrehte. Luca versuchte offenbar ,,Was machen wir jetzt?“ zu gestikulieren. Ava lachte laut los und sagte: »Du kannst reden, Luca! Und atmen noch dazu!« Maluma verdrehte halb belustigt die Augen. Er versuchte wahrscheinlich wieder lustig zu sein, denn er konnte natürlich reden und atmen. Sonst hätten sie das ja nicht gemacht. Maluma schwamm näher an Ava heran. »Aber mal im Ernst Ava, was machen wir jetzt?« Sie warf einen Blick auf Lena und erwiderte leise: »Wir gehen zu Amphitrite, wo wir Anweisungen erhalten werden. Dann werden wir – werde ich, die Stadt gegen die bestehende Bedrohung, was auch immer sie sein mag, verteidigen.« Maluma schwieg. Es beunruhigte sie, dass Ava anscheinend Angst hatte irgendwas Falsches vor ihrer Freundin zu sagen. »Du musst keine Angst haben, Ava«, erklärte Lena prompt, »du weißt doch, dass ich der Königin nicht verraten werde, was du sagst oder, besser gesagt, wem du etwas sagst.« »Danke, Lena, das ist lieb von dir,« sagte Ava mit einem Lächeln. Lena zuckte mit den Schultern. »Noch hast du ja nichts Schlechtes gesagt.« Mittlerweile waren sie auf der Hälfte der Strecke und hatten ca. 50 Meter hinter sich gelassen. Schweigend schwammen sie weiter zum Grund. Naja… Maluma und Luca schwiegen. Ava und Lena redeten und lachten die ganze Zeit. Sie landeten, warum auch immer, einige Meter von der Stadt entfernt. 10 Meter von ihnen entfernt war eine beeindruckende Mauer, mit einem noch beeindruckenderem Tor. Es war mit Muscheln und Korallen dekoriert – oder waren die dort gewachsen? – und schimmerte. In winzigen Lücken konnte man die ursprünglich babyblaue Mauer erkennen, die von allen möglichen Meeresbewohnern verdeckt war. Oben auf dem riesigen Tor stand in gold-schwarzen Buchstaben etwas auf altgriechisch: Nēreḯdes basileia – Nereidenkönigreich. Vor dem Bogen standen zwei zierliche Damen in voller Kampfmontur. Sie standen kerzengerade und blickten die vier erwartungsvoll an. Ava trat vor und rezitierte mit ihrer Hand auf der Brust: »Ich, Besucherin dieses Reiches, schwöre beim Styx, dass wir nichts Böses tun. Wir kommen und gehen in Frieden.« »Was ist mit euren Waffen?«, fragte die Linke und zeigte dabei auf Avas Schwert und Schild, Malumas Stab und Lucas Bogen. »Sie dienen der Verteidigung dieses Reiches, Wächterin. Wir werden sie nicht gegen euers Gleichen zücken. Das schwöre ich beim Styx.« Die Wächterin nickte der anderen zu und beide Nereiden traten zur Seite und ließen die vier durch. Maluma eilte zu Ava. »Was war das denn jetzt? Und warum schwörst du alles auf den Styx?« »Es dient zur Sicherheit des Reiches. Und du solltest alles, was du ernst meinst, auf den Styx schwören oder schwören lassen«, antwortete Ava. Mehr nicht. Maluma spürte, dass Ava nervös war. Die Art Nervosität, wenn man Angst hat nichts Falsches zu tun. Auch Lena wirkte nach dem Betreten der Stadt seltsam verschlossen. Als Luca versuchte etwas zu sagen, packte Maluma ihn am Handgelenk. »Wenn Ava und Lena hier so ruhig und ernst sind, sollten wir dasselbe tun!«, zischte sie leise. Luca sah sie verwirrt und erstaunt an, als ob sie irgendetwas Komisches gemacht hätte. Oh nein! War sie zu barsch gewesen? Hatte sie ihn verärgert? Dabei mochte sie Luca doch so gerne… Schweigend gingen sie durch die Stadt. Wenn jemand sie sah, machte er eilig Platz und verneigte sich kurz vor Ava, dann ging er wieder seinen Tätigkeiten nach. So verlief das für ungefähr eine halbe Stunde und Maluma wurde immer nervöser. Dann standen sie vor einem kleinen Hügel, auf dem ein wunderschönes Schloss thronte. Weiße Mauern mit blauen Türmen, die geformt waren wie Sahnehäubchen. Um das Schloss herum war ein wunderschöner Garten aus Unterwasserpflanzen und Korallen angelegt worden. Es gab Wiesen voller Seegras und Blumenbeete aus schillernden Korallen. Fische jagten sich wie Vögel am Himmel und Delfine schwammen munter herum. Staunend gingen sie den Pfad zum Schloss hinauf. (Seitdem sie die Algen gegessen hatten, war die Schwerkraft wie auf dem Mond). Der Weg führte mitten durch Wiesen voller Korallen und Fische und ab und zu schoss ein Delfin oder Rochen an ihnen vorbei. Oben angekommen erwarteten sie zwei Nereiden in Kampfausrüstung. Sie hatten ihre Speere vor der Tür gekreuzt und schauten mit grimmigen Gesichtern zu ihnen herüber. Wieder trat Ava vor und trug ihre Worte von vorhin vor: »Ich, Besucherin dieses Reiches, schwöre beim Styx, dass wir nichts Böses tun. Wir kommen und gehen in Frieden.« Shu. Die Nereiden nahmen ihre Speere von der Tür. Der Weg war frei. Schweigend gingen sie durch das Tor, was trotz des Wasserwiderstands so leicht ging wie in der Oberwelt. Als Maluma den Saal sah, der sich vor ihnen öffnete, klappte ihr die Kinnlade herunter. Es war atemberaubend. Jeweils 10 Säulen auf jeder Seite säumten den Weg zum Ende des Raumes. Jede Säule besaß einen goldenen Sockel und bestand aus weißem Marmor, der mit goldenen Verzierungen und Muscheln bedeckt war. An jeder Säule war ein goldenes Gefäß, in dem bläuliches Feuer zum Rhythmus des Wassers tanzte, angebracht. Der Boden bestand aus dem gleichen, wunderschönen Material wie die Säulen, nur, das er schlichter gestaltet war und man den weißen Marmor besser erkannte. Das Schönste aber war die Frau am Ende des Saales. Sie war in eine meergrüne Rüstung gekleidet und saß auf einem goldenen Thron. Ihr Thron hatte eine riesige Muschel als Lehne, die durch goldenen Konturen noch einmal hervorgehoben wurde. Amphitrite selbst hatte schwarze Haare, so dunkel, wie das Meer an seiner tiefsten Stelle. Sie saß seelenruhig auf ihrem Thron und blickte den Neuankömmlingen entgegen. Als die vier vor dem Thron standen, verneigten sich alle, wie Ava es ihnen erklärt hatte. Ava selbst stand noch, da von ihr nicht erwartet wurde sich zu verbeugen. Sogar im Gegenteil: Wenn stimmte, was Ava erklärt hatte, durfte sich Ava gar nicht verbeugen. Maluma wartete geduldig, bis Ava ihnen das Handzeichen gab, um sich wieder zu erheben. Alle vier warteten gespannt darauf, dass die Königin etwas sagte. Und das tat sie auch. Mit herzlicher, aber gebieterischer Stimme sprach sie: »Willkommen, in Atlantas.«

Die Buchreihe ist eine Weiterführung der Buchreihen „Percy Jackson“, „Helden des Olymp“ und „Die Abenteuer des Apollo“ von Rick Riordan.